Buch: Damals im Roten Kakadu (Roman)

In die längst vergangene Ära vor dem Bau der Berliner Mauer taucht man bei Lektüre dieses Buches ein. Genauer gesagt spielt die Geschichte im Frühjahr 1961 in Dresden. Hauptfigur ist der 18jährige Hans, genannt Johnny, der nach dem Schulabschluss Journalist werden möchte. In der damaligen DDR stößt man damit nicht sofort auf Begeisterung, da entsprechende Studien- und Arbeitsplätze nur unter gewissen Auflagen vergeben werden; die reine Eignung für den erstrebten Beruf reicht nicht aus. Eine weitere Vorliebe Johnnys stellt der Rock & Roll dar. Hierzu schließt er sich mit Freunden zum Ted-Herold-Club zusammen. Treffpunkt ist das Lokal „Club zum Roten Kakadu“ im Parkhotel, wo Johnny auch ab und zu kellnert. Die dort auftretenden Bands müssen sich bereits an Vorgaben über die gespielten Musiktitel gewöhnen. Neben Ted Herold gibt es auch noch weitere Interpreten, die im Club gerne gehört werden, eigentlich allesamt aus dem Westen. Das Kürzel TH-Club wird nach außen hin natürlich mit der Technischen Hochschule in Verbindung gebracht. Leider kann man die entsprechenden Radiosender aus Berlin oder Luxemburg mit ihren tollen Musikprogrammen im Dresdener Raum nur schlecht oder sogar überhaupt nicht empfangen. Aber manchmal finden Vinyl-Singles von Ted und anderen Stars ihren Weg zu den Jugendlichen. Das Tor zum Westteil Berlins stand ja noch offen und konnte relativ ungehindert passiert werden, auch wenn dies nicht gerne gesehen wurde. Bei Johnny spitzt sich die Situation zu, nachdem er wieder von einem Ausflug in den Berliner Westen zurückkehrt. Seine privaten Ungewissheiten im Verhältnis zu Freundin Bruni, die Ablehnung seines Gesuches um einen Studienplatz, die Aufforderung eines Freundes zur Anheuerung auf einem Schiff nach Brasilien, Walter Ulbrichts Behauptung, „niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sowie plötzliche Besuche zweier „Herren“ in der Wohnung seiner Mutter, führen zu einem weitreichenden Entschluss. Autor Bergmann, in Dresden geboren und erst kürzlich auch dort verstorben, brachte in diesem autobiografisch anmutenden Roman jede Menge lokale Gegebenheiten unter und verhilft dem Leser zu einem faszinierenden Blick auf die Stimmung unter den DDR-Jugendlichen zu Beginn des Rock & Roll-Zeitalters.

Ulrich K. Baues