Verstorben: „Wild One“-Sänger und Golden Boy Bobby Rydell

Durch die musikalische Goldgräberstimmung, die seit dem Aufkommen des Rock’n’Roll in den USA herrschte, gelang es gegen Ende der fünfziger Jahre einer Vielzahl an echten oder vermeintlichen Talenten, sich ins Rampenlicht zu drängen. Darunter fanden sich letztendlich erfolglose Amateure, daneben auch mehrere Eintagsfliegen, aber manchen gelang es mitunter, sich für eine gewisse Zeit erfolgreich auf dem umkämpften Musikmarkt zu behaupten. Zu dieser letztgenannten Gruppe zählte auch Bobby Rydell. Im April 1942 als Robert Louis Ridarelli in Philadelphia geboren, und dort auch aufgewachsen, zeigte er bereits als Kind musikalisches Talent, da er gerne andere Künstler imitierte. Nach erfolgreicher Teilnahme am Talentwettbewerb der TV-Show „Teen Club“ führte sein Weg 1958 zu einem Vertrag bei Cameo Records. Seinen Namen amerikanisierte er inzwischen in Bobby Rydell. Nach einigen erfolglosen Veröffentlichungen gelang Bobby 1959 mit "Kissin' Time" ein erster ausgewachsener Hit, dem sich bis 1964 eine ganze Reihe teils noch größerer Erfolge anschlossen. Mit den Singles „We Got Love“, „Wild One“, „Swingin‘ School“, “Volare”, und noch 1964 mit der Forderung “Forget Him” erreichte er in den USA jeweils die Top Ten. Die RIAA (Verband der Musikindustrie in Amerika) erkannte ihm mehrere Goldene Schallplatten zu. Und auch in Deutschland erfuhren seine Erfolge ihre Würdigung, denn hiesige Künstler wie Udo Jürgens, Ted Herold oder Rex Gildo nahmen Cover-Versionen von Bobbys Hits auf. Das im Nachhinein als British Invasion bezeichnete Vordringen der Beatmusik beendete seine Präsenz in den US-Hitparaden, ein Schicksal, welches Bobby mit vielen Rock & Rollern zu teilen hatte. Immerhin, ihm zu Ehren benannte man in den beiden Verfilmungen von „Grease“ die darin alles beherrschende High School mit „Rydell High“.
Im Gegensatz zu anderen Kollegen wie Frankie Avalon oder Fabian, beide ebenfalls aus Philadelphia, engagierte sich Bobby nur kurz in Hollywood. In der Filmversion des Musicals „Bye Bye Birdie“ übernahm er 1963 die Rolle des eifersüchtigen Hugo, und erst im australischen Spionagefilm „That Lady from Peking“ konnte man ihn 1975 erneut im Kino bewundern – allerdings nicht hierzulande. Auch im US-Fernsehen war er selten zu entdecken, wie ein Blick auf seine wenigen TV-Filme oder Gastauftritte enthüllt. Doch Bobby blieb keineswegs untätig – der Zuspruch für seine häufigen Auftritte in Las Vegas oder Atlantic City riss nicht ab. Und seit den achtziger Jahren trat er zusammen mit seinen beiden Philadelphia-Kollegen Frankie Avalon und Fabian als The Golden Boys auf, mit US-weit ausverkauften Shows, ebenfalls bevorzugt in Spielcasinos. Mit „Bobby Rydell – Teen Idol on the Rocks“ brachte Bobby auch eine interessante Autobiografie heraus (s. Country-Mag vom 31. März 2019), die neben zahlreichen s/w-Fotos auch eine vollständige Diskografie aufweist. Bobby Rydell erlag am 5. April 2022 im Jefferson Abington Hospital nahe Philadelphia den Folgen einer Lungenentzündung, nur wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag. Er hinterlässt seine zweite Gattin Linda.
Ulrich K. Baues