Buch: Capitol Records – Wie Amerikas Musik Europa eroberte

Es gab im besetzten Deutschland der späten vierziger Jahre natürlich auch Schallplattenfirmen. Deren Programmangebot beschränkte sich hauptsächlich auf deutsche Bestände. Wer allerdings von den damaligen Radiohörern hierzulande Gefallen an Musiktiteln fand, die über die Besatzungssender BFN (später BFBS) oder AFN liefen, hatte eben Pech. Zu erwerben gab es solche Schellack-Platten erstmal so gut wie nicht. Hier setzt die wie gewohnt sehr detaillierte und sachkundig recherchierte Arbeit von Autor Bloemeke ein. Er rollt alles von Beginn an auf. Die Gründung der Schallplattenfirma Capitol Records in den USA samt Vorstellung der wichtigsten „Macher“ dient der Einleitung, bevor der Einstieg ins deutsche Schallplattengeschäft geradezu minutiös dokumentiert wird. Spannend dürfte diese Zeit auf jeden Fall gewesen sein, wie man es den Schilderungen auch anmerkt. Somit begann für viele Musikfreunde eine neue Ära, denn durch die geschilderte Kooperation zwischen Capitol Records und der Telefunken/Teldec fanden sich jetzt auch US-Künstler im Angebot der hiesigen Plattenläden. Wer wie beispielsweise Frank Sinatra in den USA bei Capitol Records unter Vertrag stand, verfügte nun auch über Ausgaben seiner Scheiben in Westdeutschland. Dieses Angebot orientierte sich natürlich an den Strömungen der Übersee-Musikindustrie, und dort gab es damals eben auch viel Jazz. Der Autor geht dann gemessenen Schrittes weiter in der Entwicklung: die Ablösung von Schellack durch Vinyl, das Aufkommen von EPs und Singles, usw. Auch die vertriebliche Ausdehnung nach Skandinavien, hauptsächlich bezogen auf Norwegen, wird hier nicht ausgespart; im Anhang findet sich sogar eine mehrseitige Liste aller von Telefunken nach Norwegen gelieferter Matrizen. Ebenso spannend liest sich der kurzweilige Exkurs nach Las Vegas, mit u. a. Dean Martin. Hochinteressantes vermitteln dann die Kapitel über Country Music und Rock & Roll. Country Music firmierte bei der Teldec damals tatsächlich unter „Cowboylieder, Hillbillies & Western“. Die damaligen Stars der Szene hießen Hank Thompson, Tex Ritter, Ferlin Husky, oder Faron Young. Gerade bei den Country-Künstlern stellte Capitol Records hierzulande den Marktführer dar. Die US-Konkurrenz wie RCA stellte ihr sicherlich ebenbürtiges Angebot an Country Music vor 1957 nur in geringem Maße dem hiesigen Markt zur Verfügung. Beim Rock & Roll lief es anders, aber auch dabei gab es mit Gene Vincent einen hierzulande erfolgreichen Interpreten aus dem Capitol-Stall. Einen würdigen Abschluss findet dieses mit ungemein vielen Fakten und Hinweisen angereicherte Buch mittels des Kingston Trios und der Beach Boys. Zwischen all den hier hervorgehobenen Kapiteln stecken noch unzählige weitere Abhandlungen über alle und alles, welche und was zur Arbeit von Capitol Records in Westdeutschland beitrugen. Sämtliche Texte lesen sich unterhaltsam; hier bewährt sich Bloemekes Routine im perfekten Darstellen eines eigentlich eher trockenen Stoffes. Überall finden sich s/w-Abbildungen zwecks Illustration, seien es die unzähligen Fotos bekannter Persönlichkeiten, seien es Titelseiten von Filmprogrammen, oder seien es Schallplattenhüllen und Kataloge. Zwischendurch fällt der Blick sogar auf ein paar farbige Seiten, in der Regel gefüllt mit Schallplattenhüllen sowie einigen Abbildungen zu Gene Vincent.
Ulrich K. Baues
Titel:
Capitol Records – Wie Amerikas Musik Europa eroberte
Autor:
Rüdiger Bloemeke
Verlag:
Voodoo Verlag, St. Dionys
ISBN:
978-3-00-071795-6
Umfang:
217 Seiten (Broschur)
Preis:
€ 30,-